Urteil vom 22.05.2025 -
BVerwG 3 C 1.24ECLI:DE:BVerwG:2025:220525U3C1.24.0
Anspruch der Bundesagentur für Arbeit auf Erstattung von an einen Leistungsempfänger während dessen infektionsschutzrechtlicher Absonderung gezahltem Arbeitslosengeld
Leitsatz:
§ 56 Abs. 9 IfSG begründet keinen Anspruch der Bundesagentur für Arbeit auf Erstattung von Arbeitslosengeld, das sie einem Leistungsempfänger für die Zeit seiner infektionsschutzrechtlichen Absonderung gezahlt hat.
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Rechtsquellen
IfSG § 56 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, 2, 4, Abs. 5 Satz 1 und 2, Abs. 8 Satz 1 Nr. 4, Abs. 9, § 57 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 2, Abs. 2 Satz 2, § 58 SGB X § 115 Abs. 1 -
Instanzenzug
VG Frankfurt am Main - 01.11.2023 - AZ: 5 K 452/23.F
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Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 22.05.2025 - 3 C 1.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:220525U3C1.24.0]
Urteil
BVerwG 3 C 1.24
- VG Frankfurt am Main - 01.11.2023 - AZ: 5 K 452/23.F
In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. Mai 2025 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß und Dr. Sinner und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hellmann für Recht erkannt:
- Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 1. November 2023 wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe
I
1 Die Beteiligten streiten um einen Anspruch auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG).
2 Die Klägerin gewährte im Monat Dezember 2020 ihrem Leistungsempfänger Herrn U. Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch. Das zuständige Gesundheitsamt ordnete für den Zeitraum vom 8. bis 22. Dezember 2020 die Absonderung von Herrn U. an und führte unter anderem aus, er sei hinsichtlich des Coronavirus SARS-CoV-2 als ansteckungsverdächtig anzusehen. Im Januar 2021 machte die Klägerin gegenüber dem damals zuständigen Regierungspräsidium Darmstadt einen Anspruch auf Zahlung von insgesamt 593,66 € für an Herrn U. im Absonderungszeitraum geleistetes Arbeitslosengeld (381,90 €) zuzüglich gezahlter Sozialversicherungsbeiträge (211,76 €) geltend; der Entschädigungsanspruch des Herrn U. sei gemäß § 56 Abs. 9 IfSG auf sie übergegangen. Diesen Antrag lehnte das Regierungspräsidium mit Bescheid vom 14. Dezember 2022 ab. Ein Anspruch scheide mangels Verdienstausfalls des Herrn U. aus; der Anwendungsbereich des § 56 Abs. 9 IfSG sei bei Beziehern von Arbeitslosengeld in der Regel nicht eröffnet.
3 Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 1. November 2023 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Auf die Klägerin sei kein Entschädigungsanspruch des Herrn U. gegen den Beklagten übergegangen, da ein solcher Anspruch nicht bestehe. § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG, der vorliegend allein als Grundlage für einen Entschädigungsanspruch in Betracht komme, verlange einen Verdienstausfall. Dieser sei in § 56 Abs. 3 IfSG definiert und stelle auf eine Beschäftigung ab. Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehe demgegenüber nur bei Arbeitslosigkeit oder beruflicher Weiterbildung. Aus der Anordnung des Anspruchsübergangs in § 56 Abs. 9 IfSG folge nichts Anderes, denn eine Legalzession setze einen bestehenden Anspruch voraus und schaffe diesen nicht. Die Leistung von Arbeitslosengeld während des Zeitraums der Absonderung sei nicht als Entschädigung im Sinne des § 56 Abs. 1 IfSG mit der Klägerin als Zahlstelle im Sinne des § 56 Abs. 5 IfSG zu verstehen.
4 Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletze § 56 Abs. 9 IfSG. Aus dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte, dem systematischen Zusammenhang und dem Sinn und Zweck des § 56 Abs. 9 IfSG folge, dass ihr Erstattungsanspruch keinen Verdienstausfall voraussetze. Bereits nach ihrem Wortlaut gehe die Vorschrift offensichtlich von einem Entschädigungsanspruch des Arbeitslosen aus. Da arbeitslosen Personen bei behördlichen Eingriffen gemäß § 56 Abs. 1 IfSG die Möglichkeit genommen werde, unmittelbar eine Beschäftigung aufzunehmen und sie, die Klägerin, den Leistungsbeziehenden nicht unmittelbar vermitteln könne, habe der Gesetzgeber es als sachgerecht angesehen, dass die Kosten einer Absonderung nicht die Versichertengemeinschaft und die Beitragszahler der Arbeitslosenversicherung, sondern die infektionsschutzrechtlich zuständige Stelle zu tragen habe. Aus diesem Grund habe der Gesetzgeber in § 56 Abs. 9 Satz 3 IfSG die Verfügbarkeit von Arbeitslosen teilweise fingiert und die Klägerin dazu verpflichtet, Arbeitslosengeld trotz eingeschränkter Verfügbarkeit weiter zu gewähren. Auch der Gesetzesbegründung zu § 49 Abs. 5 Nr. 4 des Bundesseuchengesetzes (BSeuchG) sei zu entnehmen, dass es sich bei § 56 Abs. 9 IfSG um eine Sondervorschrift handle, die Rechtsgrundlage für ihren Erstattungsanspruch sei.
5 Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und weist zudem auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Lohnfortzahlung nach § 3 EFZG bei symptomloser Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 hin. Diese Rechtsprechung sei auf § 146 Abs. 1 SGB III zu übertragen.
6 Die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hält die Revision für begründet. Hinsichtlich des Bezugs von Arbeitslosengeld bestehe im Rahmen von § 56 Abs. 1 IfSG die gesetzgeberische Grundentscheidung, dass die von der Absonderung oder dem Tätigkeitsverbot betroffene Person weiter wie bisher Arbeitslosengeld gewährt bekomme, zur Verhinderung der finalen Kostentragung durch die Versichertengemeinschaft aber der Anspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG auf die Klägerin übergehe, damit diese ihre Ausgaben von dem nach § 66 Satz 1 IfSG zu bestimmenden Kostenträger ersetzt bekommen könne.
II
7 Die zulässige Revision ist unbegründet und damit zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat zutreffend einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung einer Entschädigung in Höhe von insgesamt 593,66 € verneint.
8 1. Ein Anspruch der Klägerin auf Bewilligung von 381,90 € als Erstattung von im Zeitraum vom 8. bis 22. Dezember 2020 an Herrn U. gezahltem Arbeitslosengeld ergibt sich nicht aus § 56 Abs. 9 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 und 2 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) in der Fassung des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. I S. 2397) bzw. in der - hinsichtlich der maßgeblichen Vorschriften keine Änderung herbeiführenden - Fassung des Gesetzes über eine einmalige Sonderzahlung aus Anlass der COVID-19-Pandemie an Besoldungs- und Wehrsoldempfänger vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3136; im Folgenden: IfSG). Eine andere Grundlage für den Anspruch ist weder geltend gemacht noch ersichtlich.
9 Nach § 56 Abs. 9 IfSG geht der Anspruch auf Entschädigung insoweit, als dem Entschädigungsberechtigten Arbeitslosengeld oder Kurzarbeitergeld für die gleiche Zeit zu gewähren ist, auf die Bundesagentur für Arbeit über. Bei den Ansprüchen, die nach dieser Vorschrift übergehen, handelt es sich um die in § 56 Abs. 1 und 1a IfSG geregelten Entschädigungsansprüche. Voraussetzung des gesetzlichen Forderungsübergangs ist damit das Bestehen eines solchen Entschädigungsanspruches. Hieran fehlt es vorliegend. Das Verwaltungsgericht hat im Einklang mit Bundesrecht angenommen, dass ein allein in Betracht kommender Entschädigungsanspruch des Herrn U. nach § 56 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 IfSG, wonach u. a. Personen, die als Ansteckungsverdächtige abgesondert werden und dadurch einen Verdienstausfall erleiden, eine Entschädigung in Geld erhalten, nicht entstanden ist, weil Herr U. keinen Verdienstausfall erlitten hat.
10 a) Nach § 56 Abs. 3 Satz 1 IfSG gilt als Verdienstausfall grundsätzlich das Netto-Arbeitsentgelt; bei Selbständigen richtet er sich gemäß Satz 4 der Vorschrift nach dem bisher erzielten Arbeitseinkommen. Ein Verdienstausfall in diesem Sinne ist bei Herrn U. durch die Absonderung nicht eingetreten; auch ohne diese Maßnahme hätte er kein Arbeitsentgelt erzielt.
11 b) Auch durch einen etwaigen Verlust seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld hätte Herr U. keinen Verdienstausfall im Sinne des § 56 Abs. 1 IfSG erlitten. Es spricht nichts dafür, dass auch der Ausfall von Arbeitslosengeld als Verdienstausfall zu betrachten ist. Dem steht bereits der Wortlaut des § 56 Abs. 3 IfSG entgegen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorschrift den Begriff des Verdienstausfalls nicht abschließend definieren soll, sind nicht ersichtlich. Es kann auch nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber den Ausfall von Entgeltersatzleistungen, zu denen das Arbeitslosengeld gehört, lediglich versehentlich nicht in § 56 Abs. 3 IfSG aufgenommen hat; hiergegen spricht, dass er in § 56 Abs. 3 Satz 2 IfSG die Berücksichtigung des Verlusts der Entgeltersatzleistung Kurzarbeitergeld bei der Berechnung des Verdienstausfalls ausdrücklich geregelt hat. Davon unabhängig fehlte es, hätte Herr U. während des Zeitraums seiner Absonderung den Anspruch auf Arbeitslosengeld verloren, jedenfalls an der Voraussetzung für den Anspruchsübergang nach § 56 Abs. 9 IfSG, dass dem Entschädigungsberechtigten für den gleichen Zeitraum Arbeitslosengeld zu gewähren ist.
12 c) Der Anspruch der Klägerin nach § 56 Abs. 9 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG besteht auch nicht unabhängig von einem Verdienstausfall des Herrn U. Einen Erstattungsanspruch der Klägerin ohne Eintritt eines Verdienstausfalls bei der von einem infektionsschutzrechtlichen Tätigkeitsverbot oder einer Absonderungsanordnung betroffenen Person sieht § 56 Abs. 9 IfSG nicht vor. Dies hat das Verwaltungsgericht in Einklang mit Bundesrecht angenommen.
13 aa) Nach seinem Wortlaut ordnet § 56 Abs. 9 IfSG einen Anspruchsübergang an. Er ist damit keine eigenständige Anspruchsgrundlage, sondern setzt das Bestehen eines übergehenden Anspruchs voraus. Nach § 56 Abs. 1 IfSG gehört zu den Anspruchsvoraussetzungen der Eintritt eines Verdienstausfalls bei der Person, die vom Tätigkeitsverbot oder der Absonderungsanordnung betroffen ist. Weder im Wortlaut des § 56 Abs. 1 noch in dem des § 56 Abs. 9 IfSG finden sich Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber für den Anspruchsübergang auf die Klägerin auf das Bestehen eines Entschädigungsanspruchs verzichten bzw. einen solchen Anspruch fingieren und damit der Sache nach einen eigenständigen Erstattungsanspruch der Klägerin begründen wollte.
14 bb) Auch die Gesetzessystematik spricht gegen ein solches Verständnis. Insbesondere greift der Verweis der Klägerin auf Parallelen zum Erstattungsanspruch von Arbeitgebern nach § 56 Abs. 5 Satz 2 IfSG nicht durch. Der Gesetzgeber hat die Aufgaben und Ansprüche von Arbeitgebern einerseits und der Klägerin andererseits unterschiedlich geregelt. Bei Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen; die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet (§ 56 Abs. 5 Satz 1 und 2 IfSG). Der Erstattungsanspruch des Arbeitgebers setzt damit voraus, dass die abgesonderte Person einen Verdienstausfall erlitten und deshalb einen Entschädigungsanspruch erlangt hat; hat der Arbeitnehmer weiterhin einen Anspruch gegen den Arbeitgeber, scheiden ein Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers und damit auch ein Erstattungsanspruch des Arbeitgebers aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2024 - 3 C 7.23 - juris Rn. 11 f.). Einen entsprechenden Mechanismus sieht das Gesetz beim Bezug von Arbeitslosengeld nicht vor; hier ordnet § 56 Abs. 9 IfSG den Übergang eines Entschädigungsanspruchs an, der voraussetzt, dass dem von der infektionsschutzrechtlichen Maßnahme im Sinne des § 56 Abs. 1 IfSG Betroffenen Arbeitslosengeld und für die gleiche Zeit Entschädigung zu gewähren ist. Diese Unterschiede sprechen dagegen, dass der Gesetzgeber die Ansprüche von Arbeitgebern und die der Klägerin weitgehend gleich regeln und der Klägerin einen eigenen Erstattungsanspruch einräumen wollte.
15 Auch aus dem nach dem hier maßgeblichen Absonderungszeitraum durch das Gesetz zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen vom 29. März 2021 (BGBl. I S. 370) eingefügten § 56 Abs. 9 Satz 2 IfSG (nunmehr § 56 Abs. 9 Satz 3 IfSG) folgt nichts für die Auffassung der Klägerin. Die Vorschrift bestimmt, dass das Eintreten eines Tatbestandes nach § 56 Abs. 1 oder Abs. 1a IfSG nicht den Bezug von Arbeitslosengeld oder Kurzarbeitergeld unterbricht, wenn die weiteren Voraussetzungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch erfüllt sind. Für einen gesetzgeberischen Willen, in diesen Fällen einen vom Eintritt eines Verdienstausfalls der betroffenen Person unabhängigen Erstattungsanspruch der Klägerin zu regeln, ist nichts ersichtlich; der Gesetzgeber hat bei Einfügung der Bestimmung an der Grundkonzeption des Anspruchsübergangs nach § 56 Abs. 9 IfSG keine Änderungen vorgenommen. Der Gedanke der Klägerin, sie müsse entschädigt werden, wenn sie Arbeitslosengeld zahle, obwohl der Leistungsempfänger aufgrund einer Absonderungsverfügung nur eingeschränkt vermittelbar sei, hat im Gesetz keinen Niederschlag gefunden.
16 cc) Aus der Gesetzgebungsgeschichte ergibt sich nichts Anderes. Das Vorgängergesetz zum Infektionsschutzgesetz, das Bundesseuchengesetz vom 18. Juli 1961 (BGBl. I S. 1012; im Folgenden: BSeuchG), enthielt in seinem § 49 Abs. 6 eine mit § 56 Abs. 9 IfSG weitgehend übereinstimmende Vorschrift. Auch diese Vorschrift ordnete damit nach ihrem Wortlaut einen Anspruchsübergang an und sah keinen eigenständigen Erstattungsanspruch der damaligen Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vor. Die Bestimmung ging auf einen Vorschlag des Gesundheitsausschusses im Gesetzgebungsverfahren zurück (BT-Drs. 3/2662 S. 26); im ursprünglichen Gesetzentwurf war noch angenommen worden, dass der Übergang des Entschädigungsanspruchs aus § 49 Abs. 1 BSeuchG sich nach den allgemeinen Regeln der §§ 205 und 144 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vollziehen würde (BT-Drs. 3/1888 S. 28 <zu § 48 BSeuchG-E>). Der Gesundheitsausschuss hielt demgegenüber eine Regelung für erforderlich, wie weit der Anspruch auf Entschädigung auf die damalige Bundesanstalt bzw. auf den Bund übergehe (BT-Drs. 3/2662 S. 3). Dass der Gesetzgeber durch diese Regelung eines Forderungsübergangs im Bundesseuchengesetz einen Anspruch der damaligen Bundesanstalt begründen wollte, der entgegen dem Wortlaut über die Legalzession eines entstandenen Entschädigungsanspruchs hinausgehen und der damaligen Bundesanstalt einen Erstattungsanspruch in Fällen einräumen sollte, in denen der Betroffene als Bezieher von Arbeitslosengeld keinen Verdienstausfall erlitten hatte, kann nicht angenommen werden. Vielmehr hatte der historische Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung die Vorstellung, dass ein Tätigkeitsverbot - allein bei diesem sah der ursprüngliche Gesetzentwurf eine Entschädigung vor (vgl. BT-Drs. 3/1888 S. 10) – regelmäßig dazu führen werde, dass der Betroffene seinen bisherigen Arbeitsplatz verliere oder jedenfalls für die Dauer des Verbots kein Einkommen aus seinem bisherigen Arbeitsverhältnis oder seiner bisherigen selbstständigen Tätigkeit beziehe. In diesen Fällen trat damit ein Verdienstausfall ein, der zu einem Entschädigungsanspruch führte, zugleich konnte der dem Tätigkeitsverbot Unterliegende wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes einen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben; in dieser Situation sollte offenbar der Entschädigungsanspruch auf die Bundesanstalt übergehen (vgl. BT-Drs. 3/1888 S. 28).
17 Ein anderes Verständnis des § 49 Abs. 6 BSeuchG bzw. des § 56 Abs. 9 IfSG folgt auch nicht aus der Gesetzesbegründung zur Anrechnungsvorschrift des § 49 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 BSeuchG (im Gesetzentwurf noch § 48 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4). Die dem jetzigen § 56 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 IfSG entsprechende Vorschrift ordnete an, dass auf die Entschädigung (lediglich) das Arbeitslosengeld oder die Unterstützung aus der Arbeitslosenhilfe in der Höhe angerechnet wurden, in der diese Leistungen dem Entschädigungsberechtigten hätten gewährt werden müssen, wenn sie nicht wegen unberechtigter Verweigerung einer Arbeitsaufnahme oder aus den anderen in den §§ 78 bis 83, 98 und 99 AVAVG angeführten Gründen zu versagen gewesen wären. In der Entwurfsbegründung ist hierzu ausgeführt, in Nr. 4 werde davon ausgegangen, dass die Entschädigungsleistungen weder auf die Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung noch auf den Bund als Kostenträger der Arbeitslosenhilfe abgewälzt werden könnten. Beziehe der Entschädigungsberechtigte Arbeitslosengeld oder Unterstützung aus der Arbeitslosenhilfe, so unterbleibe deshalb auch eine Anrechnung auf die Entschädigung. Es seien vielmehr die §§ 205 und 144 Abs. 1 Satz 2 AVAVG anzuwenden, wonach ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens, der durch Arbeitslosigkeit erwachsen sei, insoweit auf die Bundesanstalt bzw. den Bund übergehe, als diese Leistungen nach dem AVAVG zu gewähren hätten (BT-Drs. 3/1888 S. 28). Danach bezweckte der Gesetzgeber durch die Regelungen über das Zusammentreffen von Entschädigung und Arbeitslosengeld offenbar, den Kostenträger für eine zu gewährende Entschädigung nicht dadurch zu entlasten, dass der Entschädigungsberechtigte auch einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hatte. Dieses Ziel sah er durch die Nichtanrechnung von Arbeitslosengeld auf die Entschädigung sowie durch den gesetzlichen Forderungsübergang auf die damalige Bundesanstalt gefördert. Ausweislich der Formulierungen in der Gesetzesbegründung ging der Gesetzgeber dabei von Konstellationen aus, in denen neben dem Arbeitslosengeld auch eine "Entschädigung" zu zahlen bzw. ein "Entschädigungsberechtigter" vorhanden war. Dem kann nicht entnommen werden, dass die Bundesanstalt auch in Fällen, in denen dem von der infektionsschutzrechtlichen Maßnahme Betroffenen kein Entschädigungsanspruch zustand und damit auf Seiten der Infektionsschutzbehörde keine Kosten entstanden, die "abgewälzt" werden konnten, gezahlte Unterstützungsleistungen erstattet bekommen sollte. Auch für einen entsprechenden gesetzgeberischen Willen bei Schaffung des Infektionsschutzgesetzes kann den Gesetzesmaterialien nichts entnommen werden.
18 dd) Auch Sinn und Zweck der Regelung stützen das Auslegungsergebnis. Insbesondere läuft die Vorschrift des § 56 Abs. 9 IfSG nicht leer, wenn für einen Anspruchsübergang das Vorliegen aller Anspruchsvoraussetzungen des § 56 Abs. 1 IfSG einschließlich des Verdienstausfalls bei der betroffenen Person gefordert wird. Zum einen besteht ein Anwendungsbereich - den der historische Gesetzgeber vor Augen hatte - dann, wenn ein Tätigkeitsverbot zum Verlust der Arbeitsstelle und damit zu einem Verdienstausfall führt und gleichzeitig Arbeitslosengeld zu gewähren ist. Zum anderen sind Fälle denkbar, in denen aufgrund eines Absonderungsgebots gegenüber einem Leistungsempfänger ein Verdienstausfall eintritt, wenn etwa eine unmittelbar bevorstehende Arbeitsaufnahme hierdurch vereitelt wird. Diese Fälle werden auch nicht bereits von § 115 Abs. 1 SGB X erfasst. Die Vorschrift regelt einen Übergang von Ansprüchen gegen den Arbeitgeber; der Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG setzt demgegenüber voraus, dass ein Verdienstausfall eingetreten ist, weil kein Anspruch gegen den Arbeitgeber besteht.
19 Zu einer abweichenden Auslegung gibt schließlich auch nicht die Befürchtung Anlass, das Erfordernis des Verdienstausfalls als Voraussetzung der Entschädigung auch bei Bezug von Arbeitslosengeld stelle Personen, die neben dem Bezug von Arbeitslosengeld arbeiten, schlechter als arbeitende Personen, die kein Arbeitslosengeld beziehen. Während letztere die volle Entschädigung beanspruchen könnten, gehe bei ersteren der Entschädigungsanspruch in Höhe des gezahlten Arbeitslosengeldes auf die Klägerin über. Dieser Situation kann gegebenenfalls durch sachgerechte Auslegung der Voraussetzung für den Anspruchsübergang Rechnung getragen werden, dass Entschädigung und Arbeitslosengeld "für die gleiche Zeit" zu gewähren sind; eine Auslegung des § 56 Abs. 9 IfSG entgegen Wortlaut und Gesetzessystematik rechtfertigt sie nicht.
20 2. Ohne Verletzung von Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht auch einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung gezahlter Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 211,76 € verneint. Wie dargelegt liegen die Voraussetzungen des § 56 Abs. 9 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG nicht vor, so dass die Klägerin die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge nicht auf dieser Grundlage verlangen kann. Auch aus § 57 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 2, Abs. 2 Satz 2 IfSG oder § 58 IfSG in entsprechender Anwendung folgt kein Anspruch der Klägerin. Beide Anspruchsgrundlagen setzen eine Entschädigungsberechtigung gemäß § 56 Abs. 1 oder Abs. 1a IfSG voraus, die hier - wie dargelegt - nicht gegeben ist.
21 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.